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Risikofaktoren für Überempfindlichkeitsreaktionen nach Gabe iodhaltiger Kontrastmittel

Datum:

24.11.2025

Journal:

Insights into Imaging (2025)16:216

Titel:

Risk factor analysis of iodinated contrast medium-related hypersensitivity reactions

Autor:

Lukas Beiner, Ingrid Boehm
Zur Originalstudie

Eine Reihe publizierter Risikofaktoren für Überempfindlichkeitsreaktionen nach Gabe iodhaltiger Kontrastmittel sind nicht konsistent, überschneiden sich oder sind klinisch nicht relevant. Zu diesem Ergebnis kommen eine Radiologin und ein Radiologe aus der Schweiz. Vier Risikofaktoren kommt aus ihrer Sicht besondere Bedeutung zu.

 

Fazit

Mit Kenntnis der Risikofaktoren lässt sich besser einschätzen, wie wahrscheinlich eine Überempfindlichkeitsreaktion auf die Gabe iodhaltiger Kontrastmittel ist.

Vier Risikofaktoren sind dabei entscheidend: Vorausgegangene Hypersensitivitätsreaktion auf ein iodhaltiges Kontrastmittel (ICM), akute Allergie, das auslösende ICM und Fehler bei der Dokumentation.
 

Methode

  • Literatursuche zu Risikofaktoren für Hypersensitivitätsreaktionen beim Einsatz iodhaltiger Kontrastmittel
  • Identifikation von 126 Publikationen zum Thema
  • Darin Identifikation von 43 Risikofaktoren
  • Unterteilen der Risikofaktoren in drei Kategorien (patientenbezogene, kontrastmittelbezogene und managementbezogene Risiken)
  • Kritische Bewertung
  • Empfehlungen zum Minimieren der Risiken

 

Wesentliche Ergebnisse und Empfehlungen

Trotz zahlreicher Veröffentlichungen lassen sich Überempfindlichkeitsreaktionen auf iodhaltige Kontrastmittel nach wie vor nur schwer vorhersagen.

In ihrer Analyse kommen die Autor:innen zu der Einschätzung, dass zahlreiche der berichteten Risikofaktoren inkonsistent sind, sich überschneiden oder klinisch nicht relevant sind. Aus ihrer Sicht kommt vier Risikofaktoren eine besondere Bedeutung zu: 

 

Patient:innen mit Vorgeschichte einer Überempfindlichkeitsreaktion auf ICM

  • Risikostufe: mittel bis hoch, abhängig von Schweregrad und Zeitpunkt der letzten Hypersensitivitätsreaktionen auf ein ICM
  • Vorgehen: individuell
    • Leichte Reaktionen: Verzicht auf das auslösende ICM bei zukünftigen kontrastverstärkten Bildgebungsverfahren.
    • Moderate Reaktionen: Anhand eines Allergie-Hauttests entscheiden, welches Kontrastmittel am besten vertragen wird.
    • Schwere Reaktionen: Zusätzlich zu den Ergebnissen des Allergie-Hauttests medizinische Notfallversorgung bereithalten oder auf ein anderes Bildgebungsverfahren umsteigen.
       

Patient:innen mit akuter oder schlecht kontrollierter Allergie 

(z.B. Asthma, Arzneimittelallergie, Nahrungsmittelallergie) 

  • Risikostufe: mittel bis hoch
  • Vorgehen: Elektive CT-Untersuchungen mit Gabe eines ICM sollten durchgeführt werden, wenn die Patientin / der Patient keine akuten Symptome aufweist. Notfallmäßige Untersuchungen mit Kontrastmittel sollten mit besonderer Sorgfalt erfolgen, ggf. mit Bereitschaft einer Notärztin / eines Notarztes im Hintergrund.
     

Kontrastmittel-bezogene Risikofaktoren

Ursprünglich ging man davon aus, dass das Iod für allergische Reaktionen verantwortlich ist. Daher galt der Grundsatz: Wird ein ICM nicht vertragen, werden auch alle anderen ICM nicht vertragen. 

Heute ist bekannt: Nicht das Iod ist für die allergische Reaktion verantwortlich. 
Das bedeutet: Patient:innen reagieren nur auf einzelne ICM. 

Bei erneuter Gabe des auslösenden ICM kommt es in 27,7 % der Fälle erneut zu einer allergischen Reaktion. Mit Prämedikation liegt das Risiko bei 17,3 %. Dies sind sogenannte Durchbruchreaktionen.

Heute weiß man, dass ein Wechsel zu einem anderen ICM auch innerhalb der Gruppe der niedrigosmolaren iodhaltigen Kontrastmittel (LOCM) funktioniert.

  • Risikostufe: niedrig bis hoch.
  • Vorgehen: Dokumentieren Sie nach einer Nebenwirkung das betreffende ICM und vermeiden Sie es bei zukünftigen ICM-basierten Verfahren. Wenn Kontrastmittel erforderlich ist, verwenden Sie ein anderes ICM.
     

Dokumentationsfehler

Falsche Annahmen bezüglich des auslösenden ICM bei einer früheren Hypersensitivitätsreaktion auf ein ICM. Wird ein falsches ICM als Auslöser angesehen, kann das gravierende Folgen haben.

  • Risikostufe: hoch
  • Vorgehen: genaue Dokumentation des auslösenden ICM

ICM wird zu Unrecht als Auslöser angesehen. Laut einer früheren Studie ist in rund 75% der Fälle ICM der Auslöser für die Hypersensitivitätsreaktion, in etwa 25% gibt es andere Gründe (z.B. Latex, Hautprobleme unabhängig vom verwendeten ICM).

  • Risikostufe: mäßig bis hoch
  • Vorgehen: Suche nach dem individuellen Auslöser. 

Fehlerhafte Diagnose „Iodallergie”. Es kann zu Missverständnissen kommen, die ebenfalls Risiken bergen. 

  • Risikostatus: mäßig bis hoch
  • Vorgehen: Verzicht auf die Diagnose „Iodallergie”