RöKo 2025 – Fachfremde Leistungen durch Radiolog:innen

RöKo 2025 Wiesbaden in weißer Schrift mit blauem Hintergrund

In der privatärztlichen Versorgung darf jeder Arzt, jede Ärztin mit Approbation alle Leistungen erbringen. Für die Radiologie birgt das neben problematischen Aspekten auch Chancen.

Präsentationstag:

30.05.2025

Autor:

mh/ktg

Sprecher:

Gerald Antoch, Düsseldorf; Peter Minko, Düsseldorf; Daniel Truhn, Aachen

Quelle:

RöKo 2025

Ausgangslage: Privatärztliche Leistungen können alle erbringen

Die Rechtsprechung ist eindeutig: Jede Ärztin und jeder Arzt mit Approbation darf in der privatärztlichen Versorgung alle Leistungen erbringen – unabhängig von der vorhandenen Fachkunde. Das ist das Resultat einer Reihe von Gerichtsurteilen der letzten Jahre, die die 2018 novellierte Weiterbildungsordnung „faktisch außer Kraft setzen“, so Gerald Antoch, Universitätsklinikum Düsseldorf.

„Die Selbstverwaltung der Ärzteschaft und Politik zeigen derzeit aber wenig Interesse, daran etwas zu ändern“, sagte Antoch. Zu erwarten seien: 

  • ein Verlust an Qualität der privatärztlichen Versorgung
  • ein Anstieg der Kosten durch Selbstzuweisungen
  • eine Aufnahme fachfremder Leistungen ins Repertoire verschiedener Fachgebiete 

„Aber auch wir Radiologen dürfen jetzt alle Leistungen in der privatärztlichen Versorgung erbringen, betonte Antoch und empfahl seinen Fachkolleg:innen:

  • „Generieren Sie einen Mehrwert gegenüber ‘nur Bildern‘.“
  • „Machen Sie klinische Radiologie und seien Sie präsent.“

Die konkrete Umsetzung illustrierten zwei Radiologen mit unterschiedlichen Schwerpunkten:

  • Peter Minko, interventioneller Radiologe am Universitätsklinikum Düsseldorf
  • Daniel Truhn, Radiologe mit KI-Lehrstuhl an der Universität Aachen

 

Klinische Radiologie I: TAME als selektive Schmerztherapie 

Etablierte Methoden radiologisch durchgeführter Schmerztherapien sind etwa die periradikuläre Therapie oder die Facettengelenksinfiltration. Weniger bekannt ist die „Transarterielle Mikroembolisation“ (TAME) zur selektiven Schmerztherapie, so Peter Minko, interventioneller Radiologe am Universitätsklinikum Düsseldorf.

Die TAME blockiert den pathologisch erhöhten Blutfluss in entzündete Bereiche um das betroffene Gelenk. So wird der Entzündungskreislauf durchbrochen und die Bildung übersensibler neuraler Verbindungen reduziert.

Dafür werden die gelenknahen Arterien unter Röntgenkontrolle gezielt mit einem Mikrokatheter (0,51 mm) sondiert. Lässt sich anhand erhöhter Kontrastmittelanreicherung eine fokale Inflammation nachweisen, erfolgt die Injektion von Mikrosphären als Embolisat.

Die TAME ist bei einer Vielzahl von Schmerzsyndromen einsetzbar, so zum Beispiel bei Gonarthrose, Rhizarthrose und Frozen Shoulder, aber auch bei Herpes-Zoster-Myalgie oder beim Post-Mastektomie-Schmerzsyndrom.

Die Wirksamkeit der TAME bei 43 Patient:innen mit Gonarthrose schildern Taheri Amin in einer jüngst veröffentlichten Arbeit: Nach einem Jahr zeigten sich signifikante Verbesserungen der Schmerzsymptomatik. „Wir betreiben klinische Radiologie“, so Minko.
 

Zuweiser mit Leistungen bekannt machen – ambulante Strukturen schaffen

Um sich als eigenständiger Akteur für derartige Leistungen ins Gespräch zu bringen, muss die Radiologie entsprechende Zuweiserstrukturen entwickeln, sagte Minko. In den USA werde das längst sehr offensiv praktiziert. Zum Beispiel, indem man Zuweiser:innen vermittelt: TAME ist eine mit Studien belegte Therapie für schmerzhaft arthrotische Gelenke, die noch zu funktionsfähig sind für Gelenksersatz. 

Die Radiologie der Uniklinik Düsseldorf hat eine interventionelle Ambulanz mit eigenverantwortlich betriebenen Ambulanzbetten eingerichtet, um sich gezielt als Anbieter klinischer Radiologie zu etablieren. „Die Infrastruktur, die Sie dafür brauchen, ist nicht groß“, so Minko. Internen und externen Zuweisern bietet die Ambulanz jeweils ein eigenes Portal, über das sie ihre Patienten direkt überweisen können.

Mit solchen Strukturen „besteht die Möglichkeit, dass Patienten auch direkt zu Ihnen kommen – das ist von unschätzbarem Wert“, sagte Peter Minko.

 

Klinische Radiologie II: Minimal-invasive Therapie des Karpaltunnelsyndroms

Auch bei der minimal-invasiven Behandlung des Karpaltunnelsyndroms kann und sollte sich die Radiologie mehr einbringen, forderte Minko. Mittels Ultraschall werden N. medianus, Lig. transversum und weitere Strukturen dargestellt, um dann mit einem kleinen Hakenmesser das Ligament über wenige Millimeter anzuritzen und zu lockern.

„Das funktioniert sehr gut, Kollegen in Österreich haben bereits über tausend Patienten damit behandelt“, so Minko. Die Interventionszeit liegt bei nur etwa fünf Minuten.

 

Mit KI Grenzen verschieben: Radiologie auf neuen Therapiepfaden 

„Die künstliche Intelligenz wird uns helfen Grenzen zu unseren Gunsten zu verschieben“, so Daniel Truhn, Radiologe und KI-Professor an der Universität Aachen.

Vor allem zwei Potenziale der großen, KI-basierten Sprachmodelle wie Open AI hob Truhn hervor:

  • Sie erlauben es, in natürlicher Sprache mit ihnen zu interagieren
  • Sie können nachdenken und logische Deduktionsmodelle entwickeln

„Diese Sprachmodelle sind mittlerweile ziemlich gut darin, medizinische Daten zu interpretieren“, so Truhn. Man kann sie mit der gesamten Patientenhistorie füttern und sie können daraus die richtigen Schlussfolgerungen ziehen.

In einzelnen Bereichen haben die Modelle in der Klinik bereits Ergebnisse erzielt, die auf dem Niveau von Fachärzt:innen liegen – „und sie werden immer besser“, so Truhn.

 

Anwendungsszenario: Arzt/Patientengespräch unterstützen

KI-Modelle könnten zum Beispiel dazu genutzt werden, das Gespräch zwischen Arzt/Ärztin und Patient:in mit anzuhören, um dann in Echtzeit Empfehlungen zu geben, was in der Anamnese noch zu bedenken ist, oder welche Therapien am besten geeignet sind.

„Das System kann mich also in meinem medizinischen Denken und Handeln führen“, sagte Truhn. Dies sollte die Radiologie nutzen, um die Grenzen hin zu einer stärkeren klinischen Ausrichtung zu verschieben. 

 

KI-Experte für jedes Fach immer zur Hand

„Die Modelle werden dazu führen, dass man für jedes Fach quasi immer einen Experten zur Hand hat, den man fragen kann“, so Truhn. Sobald die Modelle ihre Tauglichkeit unter Beweis gestellt haben, dürften sie auch das ärztliche Handeln stark beeinflussen. 

Bald könnten die Modelle als so genannte Agenten eingesetzt werden – also als Supportsysteme, die über alle relevanten Informationen zu einem Fall verfügen, Leitlinien lesen oder die Genomik beurteilen können, um dann eigenständig die nächsten diagnostischen oder therapeutischen Schritte vorzuschlagen.

 

Fazit: Grenzen zwischen den Fachdisziplinen werden verschwimmen

Solche Expertensysteme werden in die Praxis kommen, sagte Truhn: „Eine unterstützte Behandlung durch uns auch im Bereich anderer Disziplinen, die uns bisher verschlossen sind, wird dadurch möglich. Die Grenzen zwischen den Fachdisziplinen werden durch den Einsatz dieser Tools verschwimmen.“


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      Taheri Amin A et al. Genicular Artery Embolization in Moderate to Severe Knee Osteoarthritis: Technique, Safety and Clinical Outcome. Cardiovasc Intervent Radiol 48, 340–350 (2025)