Prostatakarzinom – Wie die Bildgebung in den nächsten Jahrzehnten Diagnostik und Therapie verbessern wird

Für Patienten mit Prostatakrebs werden Fortschritte in der Bildgebung die Diagnose- und Therapieabläufe in den kommenden Jahrzehnten grundlegend verändern.
Datum: | 19.03.2024 |
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Journal: | Radiology. 2023 Jun;307(5):e222990. |
Titel: | Imaging-based Diagnostic and Therapeutic Strategies for Prostate Cancer in the Coming Decades |
Autor: | Padhani AR, Schoots IG |
In ihrem Editorial schildern Anwar R Padhani (UK) und Ivo Schoots (Niederlande), wie Fortschritte in der Bildgebung die diagnostischen und therapeutischen Strategien für Prostatakrebs verbessern dürften.
Die Herausgeber von Radiology zählen die Publikation zu den wichtigsten Publikationen des Journals im Jahr 2023 – nachzuhören bei YouTube.
Rolle der MRT in einem populationsbasierten Screening
Sollte es in Zukunft zu einem populationsbasierten Prostatakrebs-Screening kommen, dürfte die MRT dabei eine wichtige Rolle spielen. Sie hat das Potenzial, das Risiko von Überdiagnostik nach PSA-Test (prostataspezifisches Antigen) zu verringern (Hugosson 2022). Wichtige Parameter für die Entscheidung, welche Patienten weiter untersucht werden sollen, werden sein (Van Poppel 2021):
- Alter des Patienten
- altersabhängige PSA-Werte
- ethnisches Profil
- Familienanamnese
Die Autoren weisen auf die unterschiedliche Verfügbarkeit und Inanspruchnahme von zusätzlichen Tools zur Risikoeinschätzung hin: In einkommensstarken Regionen dürften Informationen aus genetischen Tests und Bildgebung die Risikobewertung für Biopsie-Entscheidungen zusätzlich verbessern (Nordström 2021). Dass ein solches MRT-zentriertes Screening-Modell nicht nur klinisch sinnvoll, sondern auch wirtschaftlich sein kann, zeigten Hao et al. (Hao 2022).
Karzinom-Detektion im ambulanten Sektor
Bei Patienten im ambulanten Sektor mit erhöhter Wahrscheinlichkeit für ein klinisch relevantes Prostatakarzinom ermöglicht die MRT eine individualisierte, risiko-angepasste Entscheidungsfindung zur Biopsie.
Vorteile einer solchen MRT-Triage vor Biopsie (Drost 2020, Wagensveld 2022):
- weniger Patienten, die sich einer Biopsie unterziehen müssen
- weniger Diagnosen harmloser Erkrankungen
- genauere Bestimmung von Tumorgrad und -volumen
- dennoch keine Einbußen beim Erkennen klinisch bedeutsamer Prostatakarzinome
Um die MRT-basierte Entscheidung über eine Biopsie zu optimieren, werden multivariable Risikoinstrumente, die bildgebenden Befunde und Patientenpräferenzen größere Bedeutung erlangen, meinen Wagensveld et al. (2022).
Außerdem wird es darum gehen, die unterschiedliche Performanz von Radiolog:innen, Biopsie-Ärzt:innen und Histopatholog:innen zu minimieren (Barrett 2022. Dabei werden Deep-Learning-basierte Algorithmen helfen, vor allem in diesen Bereichen:
- Datenerfassung für die quantitative Bewertung der Prostata-Mikrostruktur (Singh 2022)
- Befundung
- Optimierung von Arbeitsabläufen
- Anpassen der Risikostratifizierung
- Steuern von Biopsie-Entscheidungen (Penzkofer 2021)
- pathologische Bewertung von Biopsie-Proben (Mata 2021)
Bildgebung zur Risikostratifizierung
Die Bildgebung wird wichtiger werden
- für die prognostische Risikostratifizierung
- für die Vorhersage des Therapieansprechens.
Die Risikostratifizierung hilft zu entscheiden, bei welchen Patienten eine weniger umfangreiche Therapie genügt (Surveillance und aufgeschobene oder organschonende Therapie) und bei wem eine Therapie der gesamten Prostata angezeigt ist.
Deep-Learning-basierte Modelle werden klinische Daten und Laborparameter ebenso einbeziehen wie bildgebende und pathologische Befunde. So werden sie die Risikostratifizierung deutlich verbessern.
Surveillance oder Intensivierung der Behandlung
Für Patienten mit einem Prostatakarzinom mit niedrigem oder „günstigem“ mittleren Risiko kommt eine konservative Therapie in Betracht. Mit zunehmender Nutzung der MRT für Diagnostik und Nachsorge dürften sich auch die Kenntnisse über Eigenschaften und Reaktionen des Grad-I Adenokarzinoms vertiefen (Epstein 2022).
Die aktive Surveillance wird profitieren von diffusionsbasierten Modellen (Singh 2022), MRT-Radiomics und PSMA- PET/CT (PSMA: prostataspezifisches Membranantigen).
MRT für organschonende Therapien
Patienten mit im MRT sichtbaren Läsionen mit niedrigem oder „günstigem“ mittleren Risiko können geeignete Kandidaten für fokale Therapien sein. Zu den Aufgaben der MRT gehören dann
- die Definition von Läsionen und Behandlungsvolumina
- die Bewertung des Ansprechens auf die Behandlung
- das Erkennen von Rezidiven.
Da intraprostatische Krebsherde genomisch und pathologisch heterogen sind, wird man zunehmend deren Veränderungen in der wiederholten Bildgebung und die Ergebnisse bildgesteuerter Biopsien berücksichtigen (Cooperberg 2018).
Robotik und Echtzeit-MRT
Patienten mit einem ungünstigen intermediären Risiko und einige Patienten mit lokalisierter Erkrankung, aber hohem Risiko benötigen in der Regel eine Behandlung der gesamten Prostata, einschließlich Operation und Strahlentherapie. Echtzeit-MRT und die robotergestützte, bildgesteuerte Prostatektomie für ein präzises und organ-schonendes Vorgehen werden zunehmend eingesetzt werden (Palma-Zamora 2022).
Nachweis von Metastasen
Der Nachweis von Metastasen ist beim Prostatakarzinom ein Dauerthema. Moderne Bildgebungsverfahren werden das Staging vor der Therapie verbessern (Schilham 2021). An Bedeutung dürften gewinnen die
- PSMA-PET/CT
- Ganzkörper-MRT
- MRT mit superkleinen, superparametrischen Eisenoxidpartikeln.
Therapie-Monitoring
Um den Einsatz der verschiedenen Behandlungsstrategien auf den individuellen Therapieverlauf abzustimmen, braucht es bessere prädiktive und prognostische Biomarker und Biomarker für das Therapieansprechen.
Für einen rechtzeitigen Wechsel der Behandlung, wenn die aktive Tumorlast und die genomische Vielfalt am geringsten sind, ist Bildgebung erforderlich. Ein solches Vorgehen erlaubt
- eine auf Metastasen ausgerichtete Therapie bei gering-progredienter Erkrankung, oder
- die Umstellung auf eine systemische Therapie bei einem extensiven Rezidiv.
Fazit
- Die Bedeutung bildgebender diagnostischer, prognostischer, prädiktiver und ansprechender Biomarker wird zunehmen.
- Bildgebende Biomarker werden mit molekularen und klinischen Parametern kombiniert werden, um risikobasierte Diagnosen zu verbessern und Therapien auszuwählen.
Die Therapieresultate werden von einem verstärkten Einsatz prädiktiver Biomarker für die Bildgebung profitieren.
mh/ktg
19.03.2024