RöKo 2025 – Lungenkrebs-Screening: Nebenbefunde und Komorbiditäten

Das Lungenkrebs-Screening mit Lowdose CT liefert zwar mehr Informationen als nur über Rundherde. Aber es ist keine vollständig diagnostische Untersuchung. Die Limitationen müssen bereits in der Aufklärung den Teilnehmenden ganz klar gemacht werden.
„Das Thema der Nebenbefunde wird bei Beginn des Lungenkrebs-Screenings noch nicht geregelt sein“, schickte Hans-Ulrich Kauczor, Universitätsklinikum Heidelberg, seinem Vortrag voraus.
Präsentationstag: | 30.05.2025 |
---|---|
Autor: | mh/ktg |
Sprecher: | Hans-Ulrich Kauczor, Universitätsklinikum Heidelberg |
Quelle: | RöKo 2025 |
Was Nebenbefunde und Komorbiditäten unterscheidet
Nebenbefunde sind Befunde außerhalb der eigentlichen Fragestellung des Screenings. Sie sind nicht erwartet, bislang unbekannt und können klinisch relevant sein.
Von Nebenbefunden zu unterscheiden sind Komorbiditäten wie etwa COPD/Emphysem: Sie sind ebenfalls bislang unbekannt, aber innerhalb der Fragestellung zu erwarten und unter Umständen auch klinisch relevant.
Besonderheiten von Nebenbefunden im Screening
Ein Screening hat die Aufgabe, genau eine spezielle Frage zu beantworten. Im Fall des Lungenkrebs-Screenings geht es ausschließlich um die Detektion von Rundherden. „Alles Andere ist nicht unsere Aufgabe“, so Kauczor.
Das Lowdose CT-Screening der Lunge ist keine vollständige diagnostische Untersuchung, betonte er. Mit dem Lowdose-Protokoll und ohne Kontrastmittel ist die Spezifität gegenüber der diagnostischen Bildgebung deutlich geringer. Erkennen, Charakterisieren und Differentialdiagnostik anderer Pathologien als der gesuchten Rundherde sind im Screening-Setting schwierig bis unmöglich.
Das muss in der Aufklärung der Screening-Teilnehmenden ganz deutlich werden: Was kann die Screening-Untersuchung leisten und was nicht – und was wird berichtet und was nicht.
Kauczor unterschied drei Levels für den Umgang mit Nebenbefunden:
- „Actionable“ Nebenbefunde verlangen sofortiges Handeln (z.B. Pneumothorax)
- „Reportable“ Nebenbefunde müssen überwiesen werden zur Abklärung (z.B. Aortendilatation oder diffuse Lungenerkrankung)
- „Klinisch nicht relevante“ Nebenbefunde müssen nicht berichtet werden
Im Lungenkrebs-Screening dürften Nebenbefunde irgendwelcher Art bei mehr als 50% der Untersuchungen zu erwarten sein, so Kauczor. Anzustreben sei aber eine Quote mitzuteilender Nebenbefunde von unter 10 %.
Empfehlungen für den Umgang mit Nebenbefunden im Screening
Kauczor gab Empfehlungen, welche Nebenbefunde als klinisch relevant einzuordnen und weiter abgeklärt werden sollten. Zentrale Quelle dafür ist die gemeinsame Leitlinie mehrerer europäischer Fachgesellschaften.
Bronchiektasen
Es gibt keine Evidenz für ein höheres Lungenkrebsrisiko bei Bronchiektasen. Und es gibt ebenfalls keine Evidenz für einen Benefit bei frühzeitiger Detektion von Bronchiektasen bei asymptomatischen Teilnehmer:innen. Die Kriterien für eine weitere Abklärung müssen noch besser definiert werden.
Pleura: Erguss, Verdickung und Plaques
Die Prävalenz von pleuralen malignen Erkrankungen bei Personen, die auf Lungenkrebs gescreent werden, ist gering. Bei Auffälligkeiten sollte nach den Leitlinien verfahren und weiter abgeklärt werden. Asbest-suspekte Plaques sind zu berichten und als Berufskrankheit zu prüfen.
Pneumothorax/Pneumomediastinum
Muss berichtet werden, Management entsprechend Leitlinien.
Zwerchfell-Auffälligkeiten
Sie sind selten und haben in der Regel geringe klinische Relevanz.
Konsolidierungen
Bei Konsolidierungen ist zu unterscheiden zwischen „wahrscheinlich entzündlich“ und „möglicherweise maligne“. Die „wahrscheinlich Entzündlichen“ verschwinden häufig in der 3-Monats-Kontrolle.
Vaskuläre Befunde
Thorakale Aortenverkalkungen sind häufig. Es gibt aber keine Leitlinien, welche davon weiter abzuklären sind. Zu berichten und abzuklären sind auf jeden Fall Dilatationen der Aorta ascendens ≥ 40 mm. Neue Evidenz spricht für einen Grenzwert von ≥ 45 mm für die Abklärung.
Mediastinale Läsionen
Unerklärte Lymphknoten-Vergrößerungen mediastinal oder hilär von > 15 mm in der Kurzachse können zur Abklärung überwiesen werden, oder es erfolgt ein Follow-Up nach 3-6 Monaten – bestehen sie dann noch immer, ist eine diagnostische Abklärung nötig.
Schilddrüse
Leitlinien empfehlen die Abklärung von Knoten ≥ 15 mm oder bei suspekten Befunden wie lokal vergrößerten Lymphknoten oder punktförmigen Verkalkungen. Es gibt Evidenz dafür, dass die Abklärung von Knoten erst ab 20 mm besser geeignet ist, um unnötige Diagnostik gutartiger Knoten zu verringern.
Mamma-Läsionen
Die Leitlinie empfiehlt die Abklärung jeder nicht bekannten oder nicht klar zystischen Brustläsion. Kauczor empfahl dies noch einmal zu hinterfragen – es könne sonst zu einer Vielzahl zusätzlicher Bildgebungen gutartiger Veränderungen kommen.
Nebenniere
Leitlinien empfehlen, Läsionen mit einer Größe von 10–40 mm oder einer Dichte von >10 Hounsfield-Einheiten (HU) entweder beim nächsten jährlichen Screening erneut zu kontrollieren oder zur weiteren Abklärung mittels kontrastverstärkter CT oder MRT zu überweisen. Wenn sich die Läsion in der Jahreskontrolle stabil zeigt, ist keine weitere Abklärung nötig, sagte Kauczor.
Nebenbefunde in klinischen Untersuchungen
Für den Umgang mit Nebenbefunden in klinischen Untersuchungen empfahl Kauczor die ACR Guidelines zum Management of Incidental Findings sowie die dazu passende App des ACR.
Die „Big 3“ der Komorbiditäten
Wenn das Lungenkrebs-Screening in Deutschland beginnt, sollte man sich auf die Rundherde konzentrieren, so Kauczor. Alles andere werde sich mit einigen Jahren Screening-Erfahrung zeigen. Er gab Empfehlungen für den Umgang mit den erwartbaren Komorbiditäten für die Risiko-Population der Raucher:innen.
Verkalkungen der Koronararterien (CAC) und der Aortenklappen (AVC)
Die Leitlinie empfiehlt, CAC zu berichten, damit ggf. eine kardiologische Abklärung erfolgen kann. AVC sind zwar häufig, aber selten schwer. Die Leitlinie empfiehlt mittlere und schwere AVC zu berichten und weiter abzuklären.
COPD/Emphysem
COPD/Emphysem treten in der Screening-Population häufig auf (> 50%). Es ist aber unklar, wie das Emphysem im Lungenkrebs-Screening das Outcome beeinflusst. Bei mittlerem und schwerem Emphysem sei eine klinische Abklärung zu erwägen, so Kauczor.
Interstitielle Lungen-Auffälligkeiten (ILA)
Empfohlen wird, ILA > 5% und subpleurale fibrotische ILA zur Abklärung zu überweisen, aber der Benefit davon ist aktuell ungeklärt.
Fazit
- „Immer wenn ein Nebenbefund wirklich schwer ist, lohnt es sich ihn zu berichten.“
- „Wir erzeugen Angst und Stress, wenn wir zu viele Nebenbefunde berichten.“
- „Wir müssen klar darüber aufklären, was das Screening nicht leistet.“
- „Wir können das jährliche Screening nutzen, um kleinere Befunde erneut zu bewerten.“