RöKo Digital 2025 – Nicht-tumorale Läsionen in der Wirbelsäule: wichtige Differenzialdiagnosen

Eine sorgfältige Differenzialdiagnose ist insbesondere bei intradural-intramedullären Läsionen der Wirbelsäule essenziell – zur Vermeidung unnötiger Biopsien und zur Therapieeinleitung. Die kontrastgestützte MR-Bildgebung ist für die Diagnose ebenso entscheidend wie Anamnese, klinische Untersuchung und Lumbalpunktion.
Präsentationstag: | 03.05.2025 |
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Autor: | biho/ktg |
Sprecher: | Tobias Struffert, Universität Gießen |
Quelle: | RöKo Digital 2025 |
Fazit
Bei der „red flag“-Symptomatik der Wirbelsäule spielen neben inflammatorischen Erkrankungen des Rückenmarks auch erregerbedingte Entzündungen und vaskuläre Ursachen eine Hauptrolle.
Hintergrund
Bei akuter Parese, Konus-/Kaudasyndrom oder Trauma ist unverzüglich eine kontrastverstärkte MRT angezeigt. Dabei sind Tumore des Myelons sehr selten; es gilt, nicht-tumorale Myelopathien bereits in der Bildgebung davon abzugrenzen. Tobias Struffert, Universität Gießen, ging in seinem Vortrag beim Röko Digital 2025 auf die deutlichsten und relevantesten Bildbefunde tumorsimulierender Läsionen der Wirbelsäule ein – er konzentrierte sich insbesondere auf intradural-intramedullärenLäsionen.
Befundung
Das MRT-Protokoll umfasst T1-gewichtete, T2-gewichtete, sagittale STIR- und T1/T2-axiale Sequenzen sowie gegebenenfalls eine diffusionsgewichtete Bildgebung (DWI). Struffert drängte darauf, jede Abweichung vom Normalbefund genau zu untersuchen. Entscheidend sind neben dem Signalverhalten der Läsion(en) die Lokalisation und Erscheinungsform in der MRT als auch die Anamnese, die klinische Untersuchung und das Ergebnis der Lumbalpunktion. „Ohne die LP geht gar nichts“, sagte Struffert.
Der MR-Normalbefund dient als Grundlage:
- T1-gewichtete Bildgebung: Wirbelkörper erscheinen hyperintenser als die Bandscheiben
- Sagittale STIR-Sequenz: Wirbelkörper erscheinen hypointens
- T1-gewichtete Bildgebung mit Kontrastmittel: keine oder nur minimale Kontrastmittelaufnahme der Kauda
- T2-gewichtetete Bildgebung: Das Rückenmark erscheint homogen hypointens „als ein schwarzes Kabel“
- T2-gewichtetete axiale Bildgebung: Die Nervenwurzeln der Kauda erscheinen als kleine schwarze Punkte im Liquor
Intradural-intramedulläre Läsionen
Intradural-intramedulläre maligne Tumore sind mit 2-4 % die seltensten Wirbelsäulen-Tumore überhaupt – mit höherer Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei Auffälligkeiten also um tumorsimulierende Läsionen. Auf echte Tumoren deutet eine Myelonverbreiterung sowie eine Auslöschung des Liquorraums hin; Hinweise auf tumorsimulierende Läsionen liefern eine akut einsetzende Klinik und eine zervikale/thorakale Lage der Läsion. „Die Literatur liefert enttäuschend wenige key points, dabei ist die Differenzialdiagnose hier besonders wichtig“, so Struffert. Der Grund: Unnötige Biopsien sollen vermieden werden, denn „sie sind in 30 % der Fälle uneindeutig und können die klinische Situation verschlechtern“.
Inflammatorische Myelopathien
- Die sogenannte „short myelitis“ betrifft 1–2 Segmente und findet sich häufig bei MS – „90 Prozent der MS-Patienten zeigen Myelon-Läsionen“, so Stuffert. Oft handelt es sich um multiple Läsionen, die sich dorsal und lateral befinden. Sie sind eher in der weißen Substanz zu sehen und erreichen oftmals die Oberfläche des Myelons.
- Die LETM (large extensive transverse myelitis) erstreckt sich über mehr als drei Wirbelsäulensegmente. Unter den Sammelbegriff fallen NMOSD und MOGAD, zwei Erkrankungen, die auch unterschiedlich behandelt werden:
NMOSD (AQP4-IgG positiv) –- Neuro Myelitis Optica Spektrum Disorders mit Aquaporin 4 IgG-positiven Antikörpern – zeigt eher zentrale Läsionen, betroffen sind auch Sehnerven und Hirnstamm.
MOGAD - Myelin Oligodendrocyte Glycoprotein Antibody Disorders - betrifft häufig die graue Substanz (H-Zeichen im axialen T2-Bild), ebenfalls mit Beteiligung des Hirnstamms und der Sehnerven.
Häufige, nicht inflammatorische Myelopathien
Dazu zählen Spinalkanalstenosen, sDAVF (spinale durale arteriovenöse Fistel) und spinale Infarkte.
Ein Beispiel: Bei einer sDAVF erscheint die Kauda in der T2-Bildgebung nicht als schwarzes Kabel. Weitere, typische Hinweise im axialen T2-Bild sind „Eulenaugen“ oder „snake bite.
Ein weiteres Beispiel: Ein akuter Querschnitt mit unauffälligem Liquor kann auf ein Spinalis-anterior-Syndrom hindeuten – initial oft ohne Myelopathiezeichen, 2-3 Tage später aber mit massiver Kontrastmittelanreicherung in den Fasern der Kauda. Spinale Infarkte treten meist im Zusammenhang mit Aortenaneurysmen oder -ersatz auf.
Seltene, nicht inflammatorische Myelopathien
Hierzu zählen erregerbedingte Infektionen, metabolisch-toxische Myelopathien wie ein Vitamin B12-Mangel oder neurotoxische Substanzen sowie kongenitale Fehlbildungen wie eine Syrinx oder Hydromyelie.
Ein Beispiel: Eine Myelopathie, die sich in den Hintersträngen manifestiert, kann durch Toxine ausgelöst werden – etwa Nelarabine bei ALL. Solche Veränderungen sind im axialen T2 gut sichtbar. Die Anamnese liefert hier entscheidende Hinweise.