PCa-Inzidenz bei PSA-Wert
Prostataspezifischen Antigen (PSA)-basiertes Screening zur Früherkennung des Prostatakarzinoms (PCa) kann die PCa-Mortalität reduzieren. Gleichzeitig steigt das Risiko der Überdiagnosen von low-risk-PCas. Insbesondere bei Patienten, die einen PSA-Wert <3 ng/ml aufweisen, ist umstritten, wie in der klinischen Praxis verfahren werden sollte. Idris Olasunmbo Ola et al. untersuchten jetzt in einer großen retrospektive Kohortenanalyse die Inzidenz von klinisch signifikanten (cs) und klinisch insignifikanten PCa bei Patienten mit einem PSA-Wert <3 ng/ml ohne vorherige PCa-Diagnose. Die Autoren verwendeten für ihre Analyse die Daten der ersten Screening-Runde (n=20.268) der populationsbasierten Finnish Randomized Study of Prostate Cancer (FinRSPC) zur Früherkennung von PCa nach 20-jähriger Nachbeobachtung.
Summary
Insgesamt wurden 20.268 Patienten mit einem PSA-Wert <3 ng/ml in die Analyse eingeschlossen und nach dem initialen PSA-Wert in drei Kategorien eingeteilt (PSA-Wert: <1 ng/ml; 1-1,99 ng/ml und 2-2,99 ng/ml). Tabelle 1 zeigt die PCa-Inzidenz nach einer medianen Nachbeobachtung von 17,6 Jahren, stratifiziert nach PSA-Kategorie.
Initialer PSA-Wert (ng/ml) | Kumulative PCa-Inzidenz (%) |
|---|---|
9,1 | |
0-0,99 | 3,6 |
1-1,99 | 11,5 |
2-2,99 | 25,7 |
Dabei hatten Patienten mit einem Ausgangs-PSA-Wert von 2-2,99 ng/ml ein 9-fach so hohes Risiko, nach 20 Jahren eine PCA-Diagnose zu erhalten (Hazard Ratio [HR] 9,0; 95 % KI 7,9-10,2) versus den Patienten mit einem PSA-Wert <1 ng/ml.
Die Unterschiede zwischen den 3 PSA-Kategorien (PSA-Wert: <1 ng/ml; 1-1,99 ng/ml und 2-2,99 ng/ml) waren am auffälligsten, wenn man das Auftreten klinisch insignifikanter PCa in Abhängigkeit des Gleason-Scores und der Risikoklassifikation nach der European Association of Urology (EAU) betrachtete. Initiale PSA-Werte <1 ng/ml wiesen auf ein sehr geringes 20-Jahres-Risiko hin, während bei einem PSA-Wert von 2-2,99 ng/ml, das Risiko für ein aggressives PCa 4- bis 5-fach höher ist. Laut Studienautoren könnten eine Risikostratifizierung und geeignete Intervalle für ein erneutes Screening sowohl Screening-Frequenz als auch Überdiagnosen verringern.
Wird die kumulative csPCa-Inzidenz (Gleason-Score ≥7 oder mittleres, hohes Risiko bzw. fortgeschrittene Erkrankung nach EAU-Klassifikation) als Kriterium verwendet, sollten laut Autoren die Intervalle für ein erneutes Screening bei Patienten mit einem initialen PSA-Wert von 2-2,99 ng/ml etwa 3 Jahre, bei Patienten mit einem PSA-Wert von 1-1,99 ng/ml 6 Jahre und bei Patienten mit einem PSA-Wert <1 ng/ml 10 Jahre betragen.
Key-Findings
- Idris Olasunmbo Ola et al. zeigten:
- Die PCa-Inzidenz stieg in Abhängigkeit des PSA-Wertes zu Studienbeginn deutlich an, insbesondere bei low-risk-PCa, die einen Großteil der Fälle ausmachten.
- Die kumulative PCa-Inzidenz war bei Patienten mit PSA-Ausgangswerten <3 ng/ml erheblich erhöht: bis zu 9,1 % nach 20 Jahren Nachbeobachtung.
Details
Rationale
Wird bei einer PCa-Vorsorgeuntersuchung ein PSA-Wert von ≥4 ng/ml ermittelt, stellt dies in der Regel eine Indikation für eine weitere diagnostische Abklärung dar. Dagegen ist nach wie vor umstritten, wie mit Patienten mit PSA-Werten <3 ng/ml umgegangen werden sollte. Denn: PSA-Werte <3 ng/ml implizieren auf der einen Seite eine sorgfältige Abwägung, um das Risiko von Überdiagnosen und unnötigen Therapien klinisch insignifikanter Prostatakarzinome zu vermeiden, während gleichzeitig verhindert werden soll, dass ein csPCa übersehen wird. Idris Olasunmbo Ola et al. untersuchten nun sowohl die Inzidenz von csPCa als auch von low-risk-PCa bei Patienten mit einem initialen PSA-Wert <3 ng/ml, im Rahmen der Finnish Randomized Study of Prostate Cancer (FinRSPC) während einer 20-jährigen Nachbeobachtungszeit. Ein weiteres Ziel der Studienautoren war, herauszufinden, wieviel Zeit idealerweise zwischen den Screenings liegen sollte, auf Basis einer Risikostratifizierung für csPCa nach PSA-Ausgangswert.
Studienpopulation und Methodik
Bei der FinRSPC handelt es sich um eine populationsbasierte, randomisierte Studie, die 1996 als Teil der größeren European Randomized Study of Screening for Prostate Cancer (ERSPC)-Studie begann. 80.458 Patienten der Großräume Helsinki und Tampere im Alter von 55 bis 67 Jahren wurden aus dem finnischen Bevölkerungsregister ermittelt. Aus dieser Population erfolgte eine Randomisierung in den Jahren 1996 bis 1999, wobei jährlich 8.000 Patienten der Interventionsgruppe und die rund 12.000 verbleibenden Patienten der Kontrollgruppe (übliche Behandlung) zugeteilt wurden, was einem Verhältnis von 1:1,5 entspricht. Die Patienten aus der Screening-Gruppe erhielten alle 4 Jahre, bis zu ihrem 71. Geburtstag, eine Einladung zum PSA-Screening. Die hier berichtete Arbeit von Idris Olasunmbo Ola et al. ist eine retrospektive Kohortenanalyse der FinRSPC Studie. Die Autoren werteten die PCa-Inzidenz der Patienten des Screening-Arms aus, deren PSA-Wert bei der ersten Screening-Runde der FinRSPC-Studie unter <3 ng/ml lag. Die Studienpopulation wurde nach dem initialen PSA-Wert in drei Kategorien eingeteilt (PSA-Wert: <1 ng/ml; 1-1,99 ng/ml und 2-2,99 ng/ml). Patienten mit einem höheren PSA-Wert wurden ausgeschlossen. Bis zum 1998 verwendete das FinRSPC-Protokoll die digitale rektale Untersuchung, ab 1999 ein PSA-basiertes Screening. Das Follow-up begann mit der ersten Teilnahme am Screening und endete mit der PCa-Diagnose, der Abwanderung aus der Studienregion, dem Tod oder dem gemeinsamen Abschlussdatum (Dezember 2016), je nachdem, was zuerst eintrat.
Die Autoren untersuchten als primären Endpunkt die PCa-Diagnose auf der Basis von Subgruppen (klinisch insignifikantes PCa bzw. csPCa), stratifiziert nach Gleason-Score und EAU-Risikoklassifizierung[1]. Ein PCa mit einem Gleason-Score von <7 (oder einer niedrigen Risikogruppe nach der EAU-Klassifikation) wurde als klinisch insignifikantes PCa definiert, da es mit einem nicht aggressiven klinischen Verlauf assoziiert ist. Gleason ≥7 (bzw. intermediäre, hohe und fortgeschrittene Risikogruppe nach der EAU-Klassifikation) weist dagegen auf ein mittel- bis hochgradiges klinisch signifikantes csPCa mit einem höheren Progressions-Risiko hin.
Ergebnisse
Insgesamt bezogen die Studienautoren 20.268 Patienten mit einem PSA-Wert <3 ng/ml in die Analyse ein. Die Patienten waren bei Aufnahme in die Studie durchschnittlich 59,8 Jahre (SD 4,4) alt. 7,1 % (n=1.429) der Studienpopulation hatten eine familiäre PCa-Vorgeschichte bei einem Verwandten ersten Grades und 8,8 % (1.756) berichteten eine Komorbidität (Charlson-Komorbiditätsindex >0).
52,9 % (10.719) hatten einen Ausgangs-PSA-Wert <1 ng/ml, bei 34,5 % (7.000) lag der Wert zwischen 1-1,99 ng/ml und bei 12,6 % (2.549) zwischen 2-2,99 ng/ml. Die Patienten wurden im Durchschnitt 20,7 Jahre lang nachbeobachtet, mit einem Median von 17,6 Jahren. Bei den Subgruppen umfasste die mediane Nachbeobachtungszeit etwa 17 Jahre für die Patienten mit einem PSA-Wert <2 ng/ml (17,8 Jahre für diejenigen mit <1 ng/ml und 17,3 Jahre für diejenigen mit einem PSA-Wert von 1-1,99 ng/ml). Bei den Patienten mit einem höheren PSA-Wert war das Follow-up kürzer (15,4 Jahre bei einem initialen PSA-Wert von 2-2,99 ng/ml).
Rund 1 von 5 Patienten (20 %) mit einem Ausgangs-PSA <3 ng/ml nahm nach der ersten Runde nicht mehr an weiteren Screening-Runden teil. Patienten mit einem Ausgangs-PSA-Wert von <1 ng/ml nahmen etwas häufiger an den folgenden Runden teil im Vergleich zu den anderen Subgruppen: 52 % (5.571) dieser Patienten waren bei allen drei Runden dabei gegenüber 47 % (3.253) mit einem PSA-Wert von 1-1,99 ng/ml und fast 34 % (858) mit einem PSA-Wert von 2-2,99 ng/ml.
Insgesamt wurde bei 1.840 Patienten ein PCa festgestellt, die Patienten waren zum Zeitpunkt der Diagnose im Durchschnitt 71 Jahre (SD 6,2) alt. Davon zeigten 38 % eine niedrige EAU-Risiko-Klassifikation, 32 % wiesen ein mittleres Risiko und 12 % ein hohes Risiko auf. Bei 18 % war das PCa bereits in einem fortgeschrittenen Stadium. Die rohe PCa-Inzidenzrate lag bei etwa 6 pro 1.000 Patientenjahre, was einer kumulativen Inzidenz von 9,1 % entspricht.
Die kumulative PCa-Inzidenz bei Patienten mit einem initialen PSA-Wert <1 ng/ml betrug 3,6 %, versus 11,5 % bei denjenigen mit einem PSA-Wert von 1-1,99 ng/ml und 25,7 % bei Patienten mit einem Wert von 2-2,99 ng/ml. Wurden die Ergebnisse bezüglich des Alters und der Einnahme von 5-Alpha-Reduktase-Hemmern bereinigt, so wiesen Patienten mit einem PSA-Wert von 1-1,99 ng/ml ein rund 3-fach so hohes– PCa-Risiko (bereinigte Hazard Ratio aHR 3,4; 95% KI 3,0-3,8) gegenüber denjenigen mit einem initialen PSA-Wert von < 1 ng/ml. Bei Patienten mit einem PSA-Ausgangswert von 2-2,99 ng/ml war das entsprechende PCa-Risiko 9-fach so hoch (aHR 8,8; 95% KI 7,7-10,0). Bei den Analysen für den PSA-Wert als kontinuierlichem Prädiktor für ein PCa wurde für jede Einheit (ng/ml) eines PSA-Anstiegs im Durchschnitt ein dreifach erhöhtes Risiko für ein PCa gezeigt – und zwar unabhängig davon, ob das PCa klinisch signifikant war oder nicht (aHR 3,2; 95% KI 3,0-3,4). Die Analyse nach Gleason-Score ergab den deutlichsten Gradienten in Bezug auf PSA-Ausgangswert für klinisch insignifikante PCa mit Gleason-Score <7 (aHR 17,1; 95% KI 13,9-21,0 für PSA-Wert 2-2,99 ng/ml versus PSA-Wert <1 ng/ml) und den geringsten Effekt für csPCa mit Gleason-Score >7 (aHR 3,9; 95% KI 3,0-5,1 für PSA-Wert 2-2,99 ng/ml versus PSA-Wert <1 ng/ml). Die Ergebnisse der Analyse, in der die PCa-Aggressivität nach EAU-Risikogruppe klassifiziert wurde, waren mit denen nach Gleason-Score vergleichbar. Ebenfalls ein sehr deutlicher Gradient nach PSA-Wert wurde für low-risk-PCa festgestellt, mit wesentlich niedrigeren aHRs für PCa mit hohem Risiko und im fortgeschrittenen Stadium (Tabelle 1 zeigt die PCa-Inzidenz und Hazard Ratios (HR) für PCa nach Ausgangs-PSA-Wert).
Hier geht's zur Tabelle
Die kumulative Inzidenz csPCa (≥Gleason 7) variierte im Laufe der Zeit stark in Bezug auf den Ausgangs-PSA-Wert. Die kumulative Inzidenz von csPCa erreichte 0,5 % bei Patienten, die 4 Jahre zuvor einem PSA-Wert von 2-2,99 ng/ml aufwiesen. Bei Patienten mit einem PSA-Wert von 1-1,99 ng/ml war dies nach 6 Jahren und bei denjenigen mit einem PSA-Wert <1 ng/ml nach 10 Jahren der Fall. Ein ähnliches Ergebnis wurde für csPCa beobachtet, die durch andere EAU-Risikogruppen als die low-risk-Gruppe definiert sind.
Zudem wurde ein Zusammenhang zwischen den drei unterschiedlichen PSA-Kategorien und der Einnahme von 5-ARI beobachtet (p<0,001). Bei Patienten, die 5-ARI einnahmen, verdoppelte sich das Risiko bei einem PSA-Wert von >2 ng/ml im Vergleich zu einem PSA-Wert von <1 ng/ml, während es bei einem PSA-Wert von 1-1,99 ng/ml (aHR 0,97; 95% KI 0,4-2,3) keine Erhöhung des Risikos beobachtet wurde. Ein ähnlicher, aber ausgeprägterer Effekt wurde bei den Patienten ohne 5-ARI-Einnahme beobachtet: Bei diesen Patienten stieg das Risiko für alle PSA-Kategorien stark an, wobei der Effekt bei einem PSA-Wert von 2-2,99 ng/ml (aHR 9,0; 95% KI 7,9-10,3) am größten ausfiel.
In einer sekundären Analyse, die sich auf die im Screening diagnostizierten PCa als Endpunkt beschränkte, war der Gradient des anfänglichen PSA-Wertes ebenfalls sehr ausgeprägt (aHR 10,2; 95% KI 7,3-14,4 für PSA-Wert 1-1,99 ng/ml und aHR 41,0, 95% KI 29,3-57,5 für PSA-Wert 2-2,99 ng/ml).
Fazit für die Praxis
- Idris Olasunmbo Ola et al. empfehlen, die Intervalle für das Prostatakrebs-Screening in Abhängigkeit des initialen PSA-Wert zu wählen, um Überdiagnosen und unnötige Therapien indolenter PCa zu vermeiden.
Initialer PSA-Wert: | Nächstes Screening nach: |
|---|---|
2-2,99 ng/ml | 3 Jahren |
1-1,99 ng/ml | 6 Jahren |
10 Jahren |